Schärfentiefe

Ausdehnung des scharfen Bereichs im Raum

Das Thema Schärfentiefe, oft auch Tiefenschärfe genannt, habe ich ja in den letzten Lektionen schon mehrfach angesprochen.

Da es sich hierbei aber um einen sehr wichtigen Teil der Fotografie handelt, möchte ich diesem Thema dann doch noch eine eigene Lektion widmen. Für Dich als Fotograf ist der Schärfebereich im Raum ein wichtiges Gestaltungsmittel, quasi eines der Hauptelemente in der Fotografie. Ein Fluch und ein Segen zugleich.

Die Schärfentiefe (Depth of Field, DoF) ist eine entscheidende Komponente, die deine Fotografie von Amateurwerken unterscheidet. Sie definiert, wie viel von deinem Bild scharf ist – von den Vorder- bis zu den Hintergründen. Um sie zu meistern, musst du mehr als nur die Blende anpassen können.

Was ist Schärfentiefe?

Stell dir die Schärfentiefe als die Spanne in deinem Bild vor, innerhalb derer Objekte akzeptabel scharf erscheinen. Dabei liegt der Fokus auf einem spezifischen Punkt, während die Schärfe davor und dahinter allmählich abnimmt. Dies wird oft mit dem Konzept des "Kreises der Verwirrung" in Verbindung gebracht, einem physikalischen Phänomen, das sich auf die Wahrnehmung von Unschärfe bezieht.

Kurz gesagt: Der Bereich im Raum, welcher auf dem Foto noch als scharf erkennbar ist, wird als Schärfentiefe bezeichnet.

Schärfentiefe, oder heißt es doch eher Tiefenschärfe?

Als ich vor ca. 32 Jahren so richtig mit der Fotografie angefangen habe, ist mir nur der Begriff Tiefenschärfe untergekommen, ich habe mich auch richtig an diesen Begriff gewöhnt und auch lange verwendet.

Mittlerweile habe ich mich überzeugen lassen, dass Schärfentiefe der richtige Begriff ist um die Ausdehnung der Schärfe im Raum zu beschreiben.

Dennoch wird immer wieder der eigentlich nicht korrekte Begriff „Tiefenschärfe“ unter vielen Fotografen verwendet, da er sich in der Umgangssprache einfach etabliert hat. Beide Begriffe Schärfentiefe und Tiefenschärfe bedeuten im Prinzip das Gleiche

Schärfentiefe

Beisp. Schärfentiefe
Motiv scharf, Hintergrund unscharf

Das Spiel mit der Schärfe

In der Welt der Fotografie nutzen wir Schärfentiefe oft als ein leistungsstarkes Gestaltungsmittel. Unser Ziel dabei ist es, Objekte oder Personen vom Hintergrund zu isolieren, um die Aufmerksamkeit auf das Hauptmotiv zu lenken. Interessanterweise ist in der Landschaftsfotografie das genaue Gegenteil der Fall – hier versuchen wir normalerweise, so viel wie möglich im Bild scharf darzustellen.

Welche Faktoren beeinflussen die Schärfentiefe?

Lassen wir uns die verschiedenen Faktoren genauer betrachten, die die Schärfentiefe beeinflussen.

1. Die Blende

Die Blende ist ein entscheidender Faktor, der die Schärfentiefe maßgeblich beeinflusst. Sie regelt, wie viel Licht auf den Sensor fällt. Eine kleine Blendenöffnung (z.B., f/16) erzeugt eine größere Schärfentiefe, wohingegen eine große Blendenöffnung (z.B., f/1.4) zu einer geringeren Schärfentiefe führt. Dies bedeutet, dass bei einer kleinen Blende mehr vom Vordergrund bis zum Hintergrund scharf erscheint.

Die Wahl der Blende ermöglicht es uns, kreativ mit der Schärfentiefe zu arbeiten. Zum Beispiel kann eine große Blendenöffnung verwendet werden, um ein Porträt vor einem unscharfen Hintergrund hervorzuheben, während eine kleine Blendenöffnung eine Landschaftsfotografie mit großer Tiefenschärfe ermöglicht.

Beispiele zu Schärfentiefe und Blende

In den folgenden Beispielen kannst du sehen, welchen Einfluss die Wahl deiner Blende auf den Schärfebereich hat. Bei Offenblende ist der Hintergrund und der Vordergrund unscharf und nur der Bereich der anvisiert wurde wird scharf abgebildet. Je weiter die Blende geschlossen wird, desto mehr werden auch die anderen bereiche des Fotos scharf.

Belichtungszeit 1/250, Blende: f5,6, ISO: 200

Verschluss: 1/?, Blende: f1.8, ISO: ?

Belichtungszeit 1/125, Blende: f8, ISO: 200

Verschluss: 1/?, Blende: f5.6, ISO: ?

Belichtungszeit 1/250, Blende: f/8, ISO 400

Verschluss: 1/?, Blende: f/16, ISO: ?

2. Die Brennweite

Die Brennweite eines Objektivs beeinflusst ebenfalls die Schärfentiefe. Je länger die Brennweite, desto geringer ist die Schärfentiefe. Das bedeutet, dass Teleobjektive (z.B., 200 mm) tendenziell eine geringere Schärfentiefe erzeugen als Weitwinkelobjektive (z.B., 24 mm).

Bei Porträtfotografie kann eine längere Brennweite verwendet werden, um das Hauptmotiv vom Hintergrund zu isolieren und eine schöne Hintergrundunschärfe zu erzeugen. Weitwinkelobjektive eignen sich hingegen gut für Landschaftsfotografie, bei der eine maximale Tiefenschärfe gewünscht ist, um die gesamte Szene scharf abzubilden.

3. Motivabstand

Der Abstand zum Motiv ist ein weiterer wichtiger Faktor bei der Beeinflussung der Schärfentiefe. Wenn wir unserem Motiv sehr nahe kommen, verringert sich die Schärfentiefe erheblich. Dies bedeutet, dass bei Makrofotografie, bei der winzige Details hervorgehoben werden sollen, eine geringe Schärfentiefe von Vorteil sein kann.

Auf der anderen Seite, wenn wir uns weiter von unserem Motiv entfernen, erhöht sich die Schärfentiefe, was in der Landschaftsfotografie von Nutzen ist, um eine große Tiefenschärfe zu erzielen und viele Details im Bild scharf abzubilden.

4. Sensorgröße

Besonders in der Portraitfotografie geht es ja oft um die Freistellung der Person vom Hintergrund. Hier kommen immer wieder die Vorzüge des Vollformat- bzw. Kleinbildsensors ins Gespräch.
Soll heißen je größer der Sensor, desto geringer die Schärfentiefe.
Das ist so aber nicht richtig!

Da kommt der sogenannte Zerstreuungskreis ins Spiel. Ich möchte das Thema Zerstreuungskreis jetzt nicht weiter vertiefen. Nur kurz; Im Prinzip geht es darum das Kameras mit kleineren Sensoren, bei gleicher Brennweite nur Bildausschnitte produzieren, ausgehend vom Vollformatsensor.
Wenn man vom Vollformat ausgeht, zoomt man quasi ins Bild und vergrößert somit automatisch auch die Details im fertigen Bild. So werden auch die unscharfen Bereiche im Bild vergrößert dargestellt.

Richtig wäre also: Je größer der Sensor desto größer die sichtbare Schärfentiefe.

Ein großer Sensor macht es dennoch einfacher den Anschein von mehr Freistellung gegenüber dem Betrachter zu vermitteln. Da durch den größeren Bildausschnitt an z.B. Vollformat gegenüber z.B APS-C Sensoren oder Mft Sensoren, der Betrachter das Bild quasi von weiter weg betrachtet. Um den gleichen Bildausschnitt, bei sagen wir mal einer Brennweite von 90mm an Vollformat zu erreichen, muss ich an einer Kamera mit APS-C Format (Crop-Faktor 1,5) ein Objektiv mit 60mm Brennweite benutzen. An Kameras mit Mft Sensoren (Crop-Faktor 2) gar ein 45mm Objektiv.

Wenn ich annähernd den gleichen Eindruck an Schärfentiefe wie an einer Vollformatkamera, an einer Crop-Kamera vermitteln möchte, muss ich die Blende durch den Crop-Faktor teilen.

Das wären z.B. bei Blende f/2.8 an Vollformat:

  • 1,5 Blenden größer an APS-C, also Blende f/1.7
  • und 2 Blenden größer an Mft, also Blende f/1,4

Wohlgemerkt bei gleichem Bildausschnitt, also genau um den Crop-Faktor verkürzten Brennweite. Du benötigst also um den gleichen Effekt an kleinen Sensoren wie an Vollformat zu erreichen; richtig helle, bzw. lichtstarke Objektive. In der Landschaftsfotografie wo man gern einen größeren Bereich scharf abbilden möchte ist diese Eigenschaft von kleineren Sensoren wiederum ein Vorteil.

Also kommen wir auf 4 Faktoren, welche die Schärfentiefe beeinflussen

  • Blende: (kleine Blende > großer Schärfebereich)
  • Brennweite: (kurze Brennweite > großer Schärfebereich)
  • Motivabstand: (großer Motivabstand > großer Schärfebereich)
  • Sensorgröße: (je größer der Sensor, desto geringer die Schärfentiefe)

Wie kannst du die Schärfentiefe kontrollieren?

Im Folgenden noch ein paar Tipps, wie Du die Schärfentiefe kontrollieren kannst.

Blende (Aperture):

Die Öffnung deines Objektivs, die Blende, ist wie die Pupille des Auges. Eine weite Öffnung (kleine Blendenzahl) führt zu einer geringen Schärfentiefe, ideal für Porträts, wo der Hintergrund verschwommen sein soll. Eine kleine Öffnung (hohe Blendenzahl), wie f/11, ermöglicht eine durchgehende Schärfe, perfekt für Landschaftsaufnahmen.

Abstand zwischen Kamera und Motiv:

Je näher du deinem Motiv bist, desto geringer ist die Schärfentiefe. Dies ist besonders bei Makroaufnahmen auffällig, bei denen nur ein winziger Bereich scharf ist.

Brennweite des Objektivs:

Kurze Brennweiten, wie sie bei Weitwinkelobjektiven vorkommen, haben generell eine größere Schärfentiefe. Teleobjektive mit langen Brennweiten neigen dazu, die Schärfentiefe zu verringern.

Sensorgröße:

Kameras mit kleineren Sensoren neigen zu einer größeren Schärfentiefe im Vergleich zu Vollformatsensoren unter sonst gleichen Bedingungen.

Praktische Anwendung:

Stelle dein Objektiv ein und wähle ein Motiv. Beginne mit einer offenen Blende wie f/2.8 und schließe sie schrittweise bis zu einem Wert wie f/22. Beobachte, wie sich die Schärfentiefe verändert. Spiele auch mit dem Abstand zum Motiv und wechsle zwischen verschiedenen Objektiven, um ein Gefühl für die Auswirkungen der Brennweite zu bekommen.

Die Rolle der Sensorgröße und des Crop-Faktors:

Ein Vollformatsensor wird bei gleicher Brennweite und Blende eine geringere Schärfentiefe aufweisen als ein APS-C oder Micro-Four-Thirds-Sensor. Dies solltest du immer im Hinterkopf behalten, besonders bei Porträtfotografie oder anderen Situationen, in denen die Schärfentiefe entscheidend ist.

Tipps für die Praxis:

Nutze die Tiefenschärfe-Vorschau deiner Kamera, wenn verfügbar. Bei DSLRs findest du häufig einen entsprechenden Knopf, bei spiegellosen Kameras siehst du das Resultat direkt im elektronischen Sucher oder auf dem LCD.

Fazit:

Lass dich nicht zu sehr von Zahlen fesseln. Wichtiger ist das Wissen, wann du eine geringe oder große Schärfentiefe benötigst und wie du sie erreichst. Die digitale Fotografie erlaubt es dir, sofortige Rückmeldungen über dein LCD zu bekommen, was das Experimentieren erleichtert.

Abschließend sei dir gesagt: Das Verständnis der Schärfentiefe gibt dir künstlerische Freiheit. Es ermöglicht dir, Bilder mit Absicht zu gestalten, anstatt Zufallstreffer zu landen. Nutze dein Wissen, um die Geschichten zu erzählen, die du mit deinen Bildern festhalten möchtest.

Kommentar zum Thema: Schärfentiefe

Hier hast Du die Möglichkeit einen Kommentar zum Thema Schärfentiefe zu hinterlassen.

Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Du brauchst Deine E-Mail Adresse auch nur angeben, wenn Du eine persönliche Antwort von mir erwartest.

Name *
Email Adresse
Kommentar *
Datenschutz Bedingungen *

Bisher 1 Kommentare

Sabine 21.02.2024
Hallo Andre,

nachdem ich bereits von Ihrem Artikel zur hyperfokalen Distanz beeindruckt war, hat mich Ihr Beitrag zur Schärfentiefe erneut in Begeisterung versetzt. Besonders die Erläuterungen zum Einfluss lichtstarker Objektive auf die Bildgestaltung und die Schärfentiefe waren für mich ein Augenöffner. Dank Ihrer präzisen Erklärungen und anschaulichen Beispiele habe ich nun ein viel tieferes Verständnis dafür, wie ich die technischen Möglichkeiten meiner Ausrüstung voll ausschöpfen kann, um kreativere und ausdrucksstärkere Fotos zu schießen. Ihre Arbeit ist eine wahre Bereicherung für jeden Fotografie-Begeisterten, und ich bin unglaublich dankbar für die Zeit und Mühe, die Sie in die Erstellung solch wertvoller Inhalte investieren. Ich freue mich darauf, weitere Ihrer Artikel zu entdecken und mein fotografisches Können weiter zu entwickeln.

Herzlichen Dank und beste Grüße,
Sabine

Antwort von André Ziegler:

Danke freut mich Sabine, da habe ich wohl eine neue Stammleserin ;)

Fotokurs Grundlagen - Thema: Schärfentiefe

[ Vorangegangene Lektion: Brennweite und Objektive ] [ Nachfolgende Lektion: Hyperfokale Distanz ]